Dieser Reisebericht führt uns nicht in abgelegene Gegenden auf unserem blauen Planeten, sondern in die unendlichen Weiten des Weltraums. Es ist gleichzeitig auch eine Zeitreise, denn wir schauen uns Relikte aus den Anfängen des Universums an: Die Kugelsternhaufen.
Es sind schon wundersame Gesellen, diese 151 uns bekannten uralten Sphären, die unsere Galaxis Milchstraße in deren Halo umkreisen und auf ihren Bahnen sogar die galaktische Ebene durchdringen. Mit 8 bis über 13 Mrd. Jahren sind sie fast so alt wie das Universum, ihre meist mehrere Hunderttausend oder gar Millionen Sterne sind entsprechend sehr metallarm und sie gehören zu den dichtesten gravitativ gebundenen Systemen, die wir kennen. Auch bei anderen Galaxien hat man Kugelsternhaufen nachgewiesen, bei der elliptischen Galaxie M87 etwa über 10.000. Allerdings war die Entstehung und die kosmologische Einordnung der Kugelsternhaufen bis vor kurzem noch völlig unklar. Erst vor wenigen Jahren haben Forscher auf Basis von Simulationen ein Erklärungsmodell vorgelegt, wonach die ältesten Kugelsternhaufen in den frühen Tagen des Universums auf Zeitskalen von nur wenigen Millionen Jahren in kollidierenden und verschmelzenden Zwerggalaxien entstanden sein können. 2024 haben Astronomen mit dem James-Webb-Weltraumteleskop der NASA dann bei einer 13,3 Mrd. alten Zwerggalaxie gleich fünf Kugelsternhaufen nachweisen können.
Kugelsternhaufen erscheinen uns als relativ helle Objekte - manche sprechen von galaktischen Kronleuchtern - deren Beobachtung und Fotografie auch in den helleren Sommernächten, bei Stadtlicht oder bei Mondschein gut möglich ist. Ihre Helligkeit ist wohl auch der Grund, warum im berühmten Messierkatalog von 1771 mit seinen 110 umfassenden Objekten gleich 29 Kugelsternhaufen enthalten sind.
Eine Auswahl dieser wunderschönen Objekte wollen wir uns nun genauer anschauen. Die nachfolgenden Aufnahmen sind in Schmitten mit zT. mehrstündigen Belichtungszeiten im August 2024 sowie im Mai/Juni 2023 entstanden, die Aufnahme von der Südhabkugel im Sommer 2017 im Kalahari-Randgebiet in Namibia. Die Aufnahmeoptik, bis auf Namibia, war jeweils ein Newton-Teleskop mit 1200mm Brennweite und einem Öffnungsverhältnis von f/4.
Messier 15 (Pegasushaufen)
Von allen Kugelsternhaufen im Milchstraßensystem hat M15 die höchste zentrale Sterndichte und bereits einen sog. Kernkollaps (Kontraktion) durchlaufen. Dieser Schwerkrafteffekt führt zu einer Verdichtung und sehr kleinen Abständen der Haufensterne im Kern. Auch im Hubble Space-Teleskop ließ sich der verdichtete Kern kaum auflösen. Mit einem Fernglas oder einem kleinen Teleskop ist der Haufen übrigens als unscharfer Stern zu sehen.
Messier 15 liegt etwa 33.600 Lichtjahre von der Erde entfernt und hat einen Durchmesser von etwa 175 Lichtjahren. Er hat eine absolute Helligkeit von -9,2, was einer Leuchtkraft von 360.000 Sonnen entspricht. Die Angaben zur Sternenanzahl in M15 schwanken stark, man kann von einigen Hunderttausend Sternen ausgehen. M15 wird auf ein Alter von 13,2 Milliarden Jahren geschätzt und ist damit einer der ältesten bekannten Kugelsternhaufen. Der erwähnte Kernkollaps könnte auf ein Schwarzes Loch hindeuten. Ebenso sendet M15 Röntgenstrahlen aus; zwei helle Röntgenquellen wurden vom Chandra-Röntgen-Observatorium aufgelöst. Auch diese liefern Hinweise auf ein Schwarzes Loch im Zentrum.
Mit einer weiteren Besonderheit wartet M15 auf: Er ist der erste Kugelsternhaufen, in dem 1928 ein Planetarischer Nebel, Pease 1, identifiziert wurde. Ein sog. Planetarischer Nebel ist eine Gas- und Plasma-Hülle, die von einem Stern am Ende seiner Entwicklung abgestossen wird. Bis zum heutigen Tag ist Pease 1 einer von nur vier bekannten Planetarischen Nebeln in einem Kugelsternhaufen. Die nachfolgenden Aufnahmen zeigen eine Ausschnitts-vergrößerung des Kerns von M15 mit dem fotografischen Nachweis von Pease 1 (roter Pfeil), der - das kommt erschwerend hinzu - in unmittelbarer Nähe des Kernbereichs liegt.
Messier 15 enthält zudem über einhundert veränderliche Sterne, außerdem mindestens 8 Pulsare, darunter ein doppeltes Neutronensternsystem.
Die vorstehende fast 6-stündige Aufnahme mit einem größeren Himmelsausschnitt zeigt M15 eingebettet in den sog. Galaktischen Zirrus (im englischen IFN, Integrated Flux Nebula, genannt.), der aus unserer Perspektive markant L-förmig erscheint. IFN sind ein relativ neues astronomisches Phänomen und auch noch nicht ganz verstanden. Im Gegensatz zu den typischen und bekannten Gasnebeln innerhalb der Ebene der Milchstraße liegen IFNs jedenfalls außerhalb des Hauptkörpers der Galaxie. Diese Nebelwolken, ein wichtiger Bestandteil des interstellaren Mediums, bestehen aus Staubpartikeln, Wasserstoff, Kohlenmonoxid und anderen Elementen. Sie sind unglaublich lichtschwach und benötigen stundenlange Belichtungszeiten, um sie überhaupt zu erfassen. Die nachfolgende Orientierungskarte aus Sky Safari zeigt die galaktische Lage von M15, ein Gebiet, in dem IFN häufig vorkommen (vornehmlich in Richtung des nördlichen und südlichen Himmelspols):
Messier 2
Messier 2 oder NGC7089 ist ähnlich M15 ein großer, heller Sternhaufen, stark konzentriert, mit einem dichten Kern. In einem mäßig dicht besetzten Sternfeld im westlichen Teil des Sternbilds Wassermann ist M2 bereits im Fernglas ein unübersehbares Objekt. Er ist einer der reichhaltigeren und kompakteren Kugelsternhaufen und hat eine auffallend elliptische Form. Der Kern ist symmetrisch, mit einer leichten N-S-Ausdehnung. In der äußeren Korona gibt es eine Fülle von Sternen, und vielleicht 100, 200 Sterne lassen sich vor dem Hintergrund des Sternwolkendunstes des Haufens auflösen. Sternketten, die sich vom Kern aus nach außen schlängeln, erweitern die Ausdehnung des Halos auf einen Durchmesser von 16'. Es sind mehrere dunkle Bahnen zu sehen, von denen die auffälligste im nordöstlichen Teil liegt. M2 ist etwa 37.500 Lichtjahre entfernt und liegt weit jenseits des Zentrums der Milchstrasse. Er hat einen Durchmesser von etwa 175 Lichtjahren und enthält etwa 150.000 Sterne. Der dichte zentrale Kern hat einen Durchmesser von nur 3,7 Lichtjahren. Das Alter von M2 wird auf etwa 13 Milliarden Jahre geschätzt. Er bewegt sich auf einer stark exzentrischen (e=0,76) Bahn im Halo der Milchstraße, die ihn in eine enorme Entfernung von 171.000 Lichtjahren vom galaktischen Zentrum und 165.000 Lichtjahren über und unter der galaktischen Ebene bringt.
Messier 71
Lange Zeit hielt man M71 für einen offenen Sternhaufen. Das Alter seiner Sterne deutet aber eher daraufhin, dass es sich um einen Kugelsternhaufen handelt. Und je länger man ihn belichtet, desto deutlicher kommt seine Kugelgestalt zum Vorschein. M71 ist der am wenigsten konzentrierte Kugelsternhaufen des Messier-Katalogs und ist recht klein und sternenarm. Er hat wohl viele Sterne durch Begegnungen mit anderen Milchstraßenobjekten verloren. Seine geschätzte Gesamtmasse beträgt nur 40.000 Sonnenmassen. Der Umlauf um das Milchstraßenzentrum dauert 160 Millionen Jahre und er bleibt dabei immer innerhalt der galaktischen Scheibe, wie die Orientierungskarte aus Sky Safari zeigt:
Messier 3
Messier 3 ist einer der schönsten Kugelsternhaufen. Mit einer scheinbaren Helligkeit von 6,2 ist er unter dunklen Bedingungen mit bloßem Auge sichtbar - und auch mit geringsten optischen Hilfsmitteln ein hervorragendes Objekt.
Mit einer Distanz von 33.900 Lichtjahren ist M 3 von uns weiter entfernt als das Zentrum der Milchstraße. 40.000 Lichtjahre beträgt seine Entfernung vom galaktischen Zentrum. Er bewegt sich auf einer geneigten Bahn, die ihn 49.000 Lichtjahre über und unter die galaktische Ebene führt; derzeit befindet er sich etwa 33.000 Lichtjahre über dieser Ebene. 300 Millionen Jahre benötigt er für einen Umlauf. M3 enthält etwa 500.000 Sterne, ist also sehr sternenreich, aber nur mäßig konzentriert. Er ist berühmt für die große Anzahl veränderlicher Sterne, die in ihm entdeckt wurden, die ersten davon von E. C. Pickering im Jahr 1889. Der Sternhaufen hat ein Alter von etwa 8 Milliarden Jahren und enthält hauptsächlich alte, rote Sterne. Er besitzt aber auch eine relativ große Anzahl so genannter „Blue Stragglers“, "blaue Nachzügler", die viel jünger zu sein scheinen als der Rest der Sternpopulation des Kugelsternhaufens. Diese Sterne, die den Astronomen einst Rätsel aufgaben, sind nach heutiger Auffassung durch stellare Wechselwirkungen entstanden; ihre kühleren Außenschichten werden bei engen Begegnungen, die beim Durchgang durch die dichten Zentralregionen des Haufens stattfinden, abgestreift.
Messier 5
M5 ist ein mächtiger und eindrucksvoller Kugelsternhaufen mit 800.000 Sonnenmassen, leicht elliptisch in der Form und dabei mäßig konzentriert. Sein Alter schätzt man auf 8,9 bis 10, Mrd. Jahre - er ist also unter den Kugelsternhaufen ein regelrechter Youngster. Ein Orbit um das galaktische Zentrum dauert 1 Milliarde Jahre. Neben einigen "Blue Stragglers" enthält der Haufen über 140 Veränderliche Sterne, darunter auch eine Zwergnova.
Messier 92
Nicht ganz so spektakulär wie sein größerer Bruder M13 im Sternbild Herkules (siehe Bild am Anfang des Blogeintrags und nächster Beitrag) ist M92 dennoch einer der hellsten und ältesten Kugelsternhaufen am Nordhimmel. Sein Kern ist noch dichter als der von M13 und neigt beim Fotografieren zum Ausbrennen. Nördlich des Kugelsternhaufens befinden sich größere Galaxienhaufen; einige Galaxien sind auch mit Strukturen sichtbar. Wie zu erwarten, befindet sich Norden auf der linken Seite des Bildes. Aufgrund der Präzession der Erdachse wird M92 in 14.000 Jahren den himmlischen Nordpol in einem Abstand von nur 1° passieren. Das sollten wir als zukünftige Orientierungshilfe im Hinterkopf behalten ;-)
Messier 13 - Großer Herkuleshaufen
Bevor wir abschließend zum Star aller Kugelsternhaufen kommen, wollen wir zunächst noch einen Blick auf das Paradeobjekt am nördlichen Sternhimmel werfen: Messier 13, der spektakulärste Kugelsternhaufen in unseren Breiten.
Einer der Gründe, warum M13 so groß und hell erscheint, ist seine relative Nähe. Seine Entfernung beträgt etwa 25.000 Lichtjahre und er hat eine Ausdehnung von etwa 145 Lichtjahren. Mit 775.000 Sonnenmassen gehört er auch zu den größeren Kugelsternhaufen in absoluten Zahlen. Er enthält mehrere hunderttausend Sterne, manche Quellen geben sogar mehr als eine Million an. In Richtung des Zentrums von M13 ist die Konzentration der Sterne etwa 500 Mal höher als in der Sonnenumgebung. Ein Umlauf von M13 um das galaktische Zentrum dauert ca. 500 Millionen Jahre und dabei wächst seine Entfernung bis auf etwa 80.000 Lichtjahre an. Das Alter von M13 wurde auf 12 Milliarden Jahre geschätzt.
Unter den vielen blauen Sternen enthält M13 für einen so alten Sternhaufen einen besonderen jungen blauen Stern: Barnard Nr. 29, mit dem Spektraltyp B2. Die Zugehörigkeit dieses Sterns wird durch Radialgeschwindigkeitsmessungen bestätigt; offenbar handelt es sich um einen eingefangenen Feldstern.
Visuell und auf Fotos sind weiterhin dunkel Strukturen zu sehen, doch es ist noch nicht sicher, ob diese, wenn real, überhaupt zum Haufen gehören. Denn Staub sollte in den sehr alten Kugelsternhaufen kaum mehr vorkommen. Sie erscheinen als kleine, unregelmäßige, dunkle Flecken und Streifen im Kernbereich von M13. Drei von diesen Streifen treffen sich an der Südostseite des Zentralkerns und bilden eine Y-förmige Figur, die zuerst von Lord Rosse bemerkt wurde. Ebenfalls interessant ist ein großes X aus zwei Sternketten im Zentralbereich von M13.
Omega Centauri (NGC 5139)
Der Star unter allen Kugelsternhaufen darf natürlich in unserer Sammlung nicht fehlen: Omega Centauri (NGC 5139), ist der hellste Kugelsternhaufen am Himmel und der größte und hellste Kugelsternhaufen, der die Milchstraße umkreist. Er ist so massiv, dass man annimmt, dass er der Kern einer Zwerggalaxie ist, die vor langer Zeit mit der Milchstraße verschmolzen ist. Im Sternbild Zentaur gelegen, ist dieses Prachtstück nur von der Südhalbkugel zu sehen. Die nachstehende Aufnahme ist in Namibia entstanden.
Omega Centauri ist seit dem Altertum bekannt. Der griechische Astronom Ptolemäus nahm ihn in seinen Sternkatalog auf, den er Mitte des 2. Jahrhunderts n. Chr. erstellte. Als Johannes Bayer den helleren Sternen griechische Buchstaben zuordnete, hielt er auch diesen Sternhaufen fälschlicherweise für einen Stern und nannte ihn Omega Centauri.
Mit einer Entfernung von 15.600 Lichtjahren ist Omega Centauri einer der dem Sonnensystem am nächsten gelegenen Kugelsternhaufen. Seine visuelle Größe von etwa 36' entspricht einem tatsächlichen Durchmesser von 175 Lichtjahren. Seine fotografische Größe beträgt 65', was einen Durchmesser von über 300 Lichtjahren bedeutet. Wie bei allen Kugelsternhaufen nimmt die Sterndichte zum Inneren hin rasch zu. Der durchschnittliche Abstand zwischen den Sternen in seinem Zentrum beträgt nur etwa 0,1 Lichtjahre.
Mit geschätzt 10 Millionen Sternen und etwa 5 Millionen Sonnenmassen ist Omega Centauri etwa zehnmal so massiv wie ein typischer großer Kugelsternhaufen und etwa so massiv wie die kleinste aller Galaxien. Er ist der hellste und massereichste Kugelsternhaufen, der die Milchstraße umkreist, und von allen Kugelsternhaufen in der Lokalen Gruppe ist nur Mayall II (G1) in der Andromedagalaxie (M 31) massereicher und leuchtstärker.
Omega Centauri unterscheidet sich so sehr von den anderen Kugelsternhaufen der Milchstraße, dass man annimmt, dass er einen anderen Ursprung hat. Er ist etwa 12 Milliarden Jahre alt, aber wie eine Studie aus dem Jahr 1999 nahelegt, sind die Sterne von Omega Centauri nicht auf einmal entstanden, sondern über einen Zeitraum von 2 Milliarden Jahren. Das Team, das diese Arbeit durchgeführt hat, vermutet, dass Omega Centauri der verbleibende Kern einer kleinen Galaxie ist, die vor langer Zeit mit der Milchstraße verschmolzen ist.
Benutzte und zur Vertiefung geeignete Quellen dieses Blogeintrags:
Stoyan, Messier Guide, 2020
Koch/Korth, Die Messier-Objekte, 2010
Max-Planck-Institut für Astrophysik, Entstehung von Kugelsternhaufen entschlüsselt, 2019 (Originalveröffentlichung: Nathalia Lahen, Thorsten Naab, Peter Johansson, Bruce Elmegreen, Chia-Yu Hu, and Stefanie Walch
The Formation of Low-metallicity Globular Clusters in Dwarf Galaxy Merger
The Astrophysical Journal Letters, Volume 879, Issue 2, article id. L18, 6 pp. 2019)
FAZ vom 29.06.2024, Manfred Lindinger: KUGELSTERNHAUFEN ENTDECKT, Juwelen des jungen Universums
Sky Safari (App)
Diverse Wikipedia-Artikel
DSC Deep⋆Sky Corner www.deepskycorner.ch
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